Gestern war es nach einer langen Wolkenphase mal wieder klar. Am westlichen Himmel stand eine schmale Mondsichel und südlich, weit oben, der Jupiter. Die rare Gelegenheit nutzte ich, um nacheinander vier Teleskope auf meinem Balkon einzusetzen. Die Instrumente waren ein 5″ Maksutov und drei ED Refraktoren mit den Öffnungen 80mm, 98mm und 120mm. Das kurz gebaute Maksutov ist bestens für einen beengten Balkon geeignet. Der 120mm-Refraktor ist bereits zu lang, um vom Okular bequem zur Montierung zu greifen und um immer eine angenehme Einblickposition zu finden. Der lange Hebel des 120mm-Refraktors brachte die Montierung, die den Maksutov locker trug, an ihre Grenzen. Jedes Scharfstellen versetzte das Teleskop ins Schwingen, das einige Sekunden anhielt. Mit dem bedeutend kürzer gebauten 98mm-Refraktor war die Welt wieder in Ordnung. Die Teleskope wurden in einem Raum mit 20 °C Temperatur gelagert. Draußen zeigte das Thermometer -2 °C an. Um eingesetzt werden zu können, mussten die Teleskope abkühlen. Während dieses Anpassungsprozesses ‚arbeiten‘ die Systeme durch thermische Verformungen. Ein warmes Teleskop zieht sich beim Abkühlen etwas zusammen.
Es gibt ein paar Vorurteile, die sich hartnäckig halten. Man sagt dem Maksutov nach, dass er durch eine zeitlich lange Phase der Anpassung von Zimmertemperatur auf kühle Außentemperaturen nicht spontan eingesetzt werden kann, weil die Bildqualität bis zum Abschluss leidet. Refraktoren haben einen anderen Ruf. Sie gelten als zügig einsetzbar.
In der Praxis sind solche Vorteile wenig wert. Ich habe einen 5″ Maksutov (15cm Öffnung) von Skywatcher, der durch seine kompakte Bauweise bequem einsetzbar ist. Sein Tubus besteht aus Metall. Trage ich dieses Teleskop aus einem Zimmer mit einer Temperatur von 20° ins Freie mit leichten Minusgraden, ist es nach ca. einer Viertelstunde einsetzbar. Vergrößerungen bis 100x, die zur Beobachtung des Mondes gut geeignet sind, sind mit einer guten Bildqualität möglich. Nach einer weiteren Viertelstunde spricht nichts dagegen, die Vergrößerung auf 200x hinaufzutreiben. Ich hatte mal einen Maksutov mit 14 cm Öffnung und einem Tubus aus Kohlefaser. Das Material war einer schnellen Temperaturanpassung durch seine schlechte Wärmeleitfähigkeit abträglich. In der Praxis erlebte ich es kaum, dass die Temperaturanpassung abgeschlossen wurde und das Instrument scharfe unbewegte Bilder zeigte. Das Teleskop verursachte ein Flimmern des Bildes und es war kaum möglich, richtig scharf zu stellen. Der Optik wurde eine hohe Qualität nachgesagt, aber die Konstruktion und der Materialmix des Tubus machten es praktisch unmöglich, mit dem Instrument ohne lange Vorlaufzeit zu beobachten.
Meine ED-Refraktoren mit Öffnungen von 80 mm, 98 mm und 120 mm passten sich den Temperaturunterschieden relativ zügig an. Das 80mm-Teleskop kühlte am schnellsten aus und war nach einer Viertelstunde gut einsetzbar. Das 98mm-Teleskop brauchte 10 Minuten länger, aber das 120mm-Teleskop benötigte rund 45 Minuten, bis es einsetzbar war. Interessanterweise waren die Refraktoren während dieser Zeiträume nicht zu gebrauchen. Die Motive ließen sich nicht scharf stellen und waberten wie lodernde Flammen im Okular.
Beim Maksutov war das anders. Nach einer Viertelstunde ließen sich mittlere Vergrößerungsstufen nutzen. Für den Mond reichte das alle male. Damit konnte ich mir die Zeit vertreiben, bis dieses Teleskop nach weiteren 20 Minuten für hohe Vergrößerungen eingesetzt werden konnte. Ähnliches gilt auch für den bekannten Teleskoptypen Schmidt-Cassegrain, der über mehrere Jahrzehnte hinweg in großen Stückzahlen von Celestron und Meade verkauft wurde. Ist man den Umgang mit solchen Geräten gewohnt und legt sich irgendwann einen der mittlerweile populär gewordenen ED-Refraktoren zu, wird dieser möglicherweise anfangs schlechter bewertet, als angemessen ist. Denn in der Abkühlungsphase sollte der Refraktor nicht eingesetzt werden. Der Wechsel von unbrauchbar zu brauchbar verläuft nicht fließend wie beim kompakten Spiegelteleskop, sondern eher sprunghaft.