Adobe am Scheideweg?

Die Grafikszene ist in Aufregung über Meldungen vom Softwaregiganten Adobe. Zukünftige Programme sind im Abonnement mit monatlichen Gebühren nutzbar. Einige verstehen dies so, dass die Software im Internet ist und nicht auf dem eigenen Computer. Doch so ist es nicht. Die Software wird wie üblich auf dem Computer installiert und alle 30 Tage gibt es über das Internet eine Prüfung, ob das Abo noch gültig ist. Abonnenten erhalten 20 GB Cloud-Speicher. Für abgeschottete Unternehmen wird es andere Lösungen geben. Adobe veränderte den Namenszusatz für seine Programme. Aus dem CS ist CC für Creative Cloud geworden.

Zudem erfuhren wir jüngst, dass der Begriff ‚Flatrate‘ bezogen auf DSL-Verbindungen von der Telekom neu definiert wird. Die Flatrate steht nicht mehr für einen grenzenlosen Datenstrom. Nach einigen 100 GB ist Schluss mit lustig, danach wird das Tempo gedrosselt oder mehr Geld verlangt. Wie die anderen DSL-Anbieter damit umgehen, wird sich demnächst zeigen.

Solche Entwicklungen irritieren. Auf der einen Seite möchte ein marktführender Software-Anbieter seine Produkte basierend auf einer Internettechnologie vermarkten, die zusätzliche Kosten erzeugt und häufig nur unzulänglich zur Verfügung steht. Aus dem Kunden, der an seinem individuellen Arbeitsplatz tätig ist, wird ein Mitglied der Creative Cloud. Jedem Anwender steht Speicherplatz in der Cloud zur Verfügung. Wo und was das ist, weiß niemand. Wer unkontrollierbar Zugriff auf die Daten nimmt, steht in den Sternen. Was passiert mit den Daten nach Beendigung eines Abos? Über die ökologischen Folgen des steigenden Datenstroms im weltweiten Netz scheint sich keiner Gedanken zu machen.

Adobe hat sich zum marktführenden Monopolisten entwickelt. Gute konkurrierende Produkte wurden aufgekauft und integriert oder dem Markt entzogen. Beispielsweise Dreamweaver, ein hervorragendes Programm zur Erstellung von Websites von Macromedia. Oder RAW-Shooter von Pixmantec, dem exzellenten RAW-Konverter aus den Jahren 2005/2006, als verschiedene Hersteller eine Generation von digitalen Spiegelreflexkameras mit 6 MP auf den Markt brachten, die das Ende der traditionellen Fotografie auf Film in Gang setzten.

Sollten zukünftige Produkte von Adobe nur noch in Kombination mit einer permanenten Internetverbindung und gegen Zahlung einer monatlichen Gebühr verfügbar sein, wäre dies eine riskante Entwicklung für das Unternehmen. Zum einen gibt es zahlreiche Unternehmen, in denen eine Internetverbindung nicht gestattet ist. Bedeutende Sicherheitsüberlegungen spielen hierbei eine wesentliche Rolle. Diese Umgebungen werden sich nicht auf Cloud-Computing einlassen. Entweder verzichtet Adobe auf diese Kunden, was unwahrscheinlich ist, oder es wird Produktvarianten geben, die im herkömmlichen Stil auf die jeweiligen Computer installiert und dauerhaft registriert werden. Möglicherweise erleben wir die Rückkehr des Dongles, einer mit dem Computer zu verbindenden Hardware, ohne die ein Programm nicht lief.

Der Hintergrund dieser Entwicklung ist zweifellos bestimmt vom einem Spannungsfeld, in dem sich Softwareentwickler mit zahlenden Kunden und vielen weiteren Anwendern ohne gültige Lizenz stehen. Kostenpflichtige Programme werden gecrackt und weltweit von vielen Anwendern kostenlos und unautorisiert eingesetzt. Wer glaubt, dass dies in Zukunft ausgehebelt werden kann, irrt. Wer zudem glaubt, dass dies sinnvoll und erstrebenswert wäre, irrt ebenfalls.

Derjenige, der in einem mittelständischen Unternehmen entscheidet, welche Software gekauft wird und Adobe-Produkte erwirbt, weil er sie kennt und gut findet, wird mental kaum Probleme damit haben, Kopien davon auf seinem heimischen Computer zu haben. Weitere Familienangehörige nutzen sie ganz selbstverständlich und der Filius reicht seinem Kumpel in der Schule einen Datenträger mit einer Kopie des Programms. Das ist nicht erlaubt, aber die Realität und eine massenhafte, kostenlose illegale Nutzung von marktführenden Programmen durch zahlreiche Privatanwender gehört dazu, um einer Software einen hohen Status im Gefüge der kaum noch zu übersehbaren Programme zu vermitteln. Im Schwarm der illegalen Nutzer um die gut zahlenden Kunden befindet sich ein Großteil der wahren Creative Cloud ohne die Adobe niemals ihren Status erlangt hätte. Sie ist kein anonymer Speicher, sondern eine große Zahl mittelloser Fotografen und Grafiker, die im heutigen Markt kaum noch über die Runden kommt. Sie, Assistenten, Studenten und sonst wie kreative Menschen nutzen Adobe Produkte ohne immer dafür zu zahlen.

Produkte von Adobe werden weltweit von vielen Menschen, die sich kaum mit den Erträgen ihrer kreativen Arbeit ernähren können, genutzt. Dieses Klientel bezahlt durchaus mal die eine oder andere Version, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die gesamte Palette der je genutzten Programme. Wer als Softwareunternehmen eine konsequente ‚No Tolerance‘-Politik betreibt, begibt sich in die Gefahr der Abwendung einer breiten Masse von illegalen oder halb legalen Anwendern, die insgesamt einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Verbreitung einer Software und im erfolgreichen professionellen Rahmen zur Durchsetzung von hohen Preisen leisten.

Viele können oder werden die monatlichen Gebühren nicht tragen. Ob die Menschen bereit sind, einen höheren Anteil ihrer Einkünfte als bisher in Software zu investieren, ist fraglich und der für einen niedrigen Lohn arbeitende Kameraassistent wird sich nicht mehr an einer gecrackten Photoshop-Version qualifizieren, sondern mit anderen Programmen arbeiten, was allmählich in der professionellen Szene dazu führen wird, dass Alternativen in Betracht gezogen werden.

Im Prinzip ist dies ein philosophisches Problem. Ist es sinnvoller, eine Software so zu veröffentlichen, dass sie prinzipiell bezahlt werden muss, worauf bei finanziell potenten, kommerziellen Anwendern und Behörden geachtet wird, nebst der Hinnahme, dass viele private Anwender sich einen kostenlosen Zugang zu dieser Software verschaffen, sie nutzen, in Foren diskutieren und Anwendungstipps austauschen und somit zu ihrer Verbreitung und ihrem Status beitragen?

Oder schottet man ein Programm mit Hinblick auf eine strenge Zahlpolitik so ab, das ihr Bekanntheitsgrad nebst der notwendigen Kompetenz zur gekonnten Anwendung auf einen kleinen Kreis beschränkt wird?

Welche Variante beschert dem Unternehmen den größeren Ertrag, die größere Bekanntheit, die größere Sympathie und die meisten Unterstützer?

Die richtige Sichtweise ist kompromissbehaftet. Von vielen Angestellten wird erwartet, dass sie gekonnt und souverän mit Programmen umgehen können. Dazu gehört Office, aber zunehmend auch die Bildbearbeitung und Videoschnitt. In der Realität erwarten die Arbeitgeber, dass ihre Mitarbeiter diese Kenntnisse haben. Wenn ein anspruchsvoller Arbeitgeber mit Windows 7 und Office 10 arbeitet, ist es wahrscheinlich, dass viele Angestellte, für die es wichtig ist, dass sie mit den genannten Produkten gut umgehen können, sie auch im privaten Bereich auf ihren Computern haben. Nicht selten beschaffen sie sich illegale Kopien. Wenn das nicht möglich ist, wechseln die Angestellten privat zu OpenOffice, Gimp, ACDSee und weiteren Programmen sowie zu einem kostenlosen, leistungsfähigen Betriebssystem. In der Folge wird dieser Personenkreis im Arbeitsumfeld darauf hinwirken, dass das dort dieselben Programme verwendet werden.

Das ist den Softwareentwicklern und ihren Marketingleuten hinlänglich bekannt. Wer sich Photoshop nicht leisten kann und keinen günstigen Zugang zur Verfügung hat, wird Alternativen finden. Eine breite Palette von Werkzeugen ist in ACDSee Pro, Corel PaintShop Pro, Gimp und etlichen weiteren Programmen für wenig Geld oder kostenlos verfügbar. Eine strenge Abschottung geht nach hinten los, wenn in zukünftigen Meetings beschlossen wird, Adobe goodby zu sagen, weil die Kollegen andere, für sie auch außerhalb des Arbeitsplatzes nutzbare Wege entdeckt haben. Dem Chef, der das Ganze zu finanzieren hat, kann es nur recht sein, wenn leistungsstarke Alternativen, die seinen Mitarbeitern durch praktische Anwendung vertraut sind und zudem erhebliche Kosten einsparen, durch solche Marktentwicklungen auf den Tisch kommen.

Internetkontrollierte teure Abos erwecken den Anschein, als ob den Entwicklern der Software die Ideen ausgegangen sind, um im historischen Rhythmus neue Versionen mit so spannenden Zusatzfunktionen und Verbesserungen herauszubringen, dass ihr Erwerb durch die traditionelle Käufergruppe stattfinden wird. Bleibt es dabei, werden die nicht zahlungsfähigen User Alternativen suchen. Die Konkurrenz wird jubeln!

4 Gedanken zu „Adobe am Scheideweg?

  1. Die Konkurrenz zu Adobe ist bereits vorhanden. Es gibt diverse gute Programme für <100 €, die alles können, was viele Fotografen benötigen. Die überbordende Adobewelt mit reichlich Funktionen, die viele niemals nutzen, könnte sich mit einer strengen Abolizensierung ein Eigentor schießen.

  2. Es gibt für Windows und Mac OS X ein mehr als ernstzunehmendes Bildbearbeitungsprogramm, das kompakt und sehr leistungsstark ist: PhotoLine aus Deutschland. Es kann zu Testzwecken unter http://www.pl32.de geladen werden.
    Die Vollversion (beliebig viele Installationen unter beiden Betriebssystemen!) kostet läppische 60 Euro…

  3. Ja – PhotoLine kann ich nur empfehlen. Kann fast vieles was nur der große Photoshop (nicht Elements) kann und ist schnell. Es gibt auch einen Test in der aktuellen Ausgabe der Computerzeitschrift ct.

  4. Ich glaube nicht das Adobe am Scheideweg liegt. Adobe hat Zuwachs seit dem sie diese Verkaufspolitik anwenden..Sicher werden einige abspringen – aber wer springt denn ab ? die meisten werden nur Adobe über einen Crack aktiviert haben .. und die springen ab ja .. natürlich. Für diese Leute ist es natürlich auch teurer als die die wenigsten einmal ab CS 3 bei Adobe gekauft haben. Sprich .. die die mit gecrackten Versionen gearbeitet haben .. werden Adobe nicht fehlen.
    Ich bin Fotograf und ich nutze die Möglichkeiten die Photoshop mir bietet .. und selbst wenn ich willig bin (arbeite nun mehr seit mehr als 10 Jahren mit Adobes PS und Co) ..es gibt nicht ein Programm was LAB, CYMK – Bild- Kanalberechnungen und viele andere Dinge kann. Wenn ich mich irre .. immer her mit den Programmen..scharf ein Abo nun zu haben bin ich auch nicht. Sprich , es wird von Alternativen sehr viel geredet…aber diese Alternative heißt immer Kompromisse eingehen .. will ich das – kann ich das ?

    Zu guter Letzt .. wir werden sehen was die Zukunft bringt.. es wäre schon schön für uns Kunden wenn wir es uns aussuchen könnten ob man sich eine Boxversion kauft oder in die Luft geht ;o) – hust – Wolken (Cloud) – Spekulationen bringen hier niemanden was , wir Konsumenten müssen einfach entscheiden .. Abo oder Kompromisse. Adobe hat uns vor die Wahl gestellt.. wir müssen nur noch handeln. Egal in welcher Richtung.

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