Beim Aufräumen zog ich zwei große Fotolaborschalen hervor, in denen ein Stapel Schwarzweißabzüge im Format 50 × 60 aus lange zurückliegenden Ausstellungen gelagert wurde. Ich fand die Bilder gut; sonst hätte ich sie nicht aufgehoben. Motive: Baustelle Potsdamer Platz, verhüllter Reichstag von Christo, Nachtleben in Berlin Mitte um 1995 und andere. Teilweise stammten sie von mir und teilweise von anderen Fotografen, mit denen ich in den 1990ern Fotoprojekte durchführte. Wir hatten diese Fotos in der Dunkelkammer auf PE Papier vergrößert, das damals schon einige Jahre alt war und uns gespendet wurde oder aus Zweitehand-Käufen stammte. Dieses beidseitig mit Kunststoff beschichtete Papier ist Fotosammlern suspekt, weil es nicht so haltbar ist wie konventionelles und perfekt verarbeitetes Barytpapier.
Diese großen Abzüge auf PE Papier rochen schon seit Jahren verdächtig nach Chemie. Erneutes Fixieren und Wässern im Fotolabor konnte dies nicht verhindern. Deshalb waren diese Fotos aus den normalen Archivboxen geholt und zwischen zwei Fotoschalen gelegt worden, die sich ineinander stapeln ließen. Die Fotos waren zudem in säurefreies Papier eingeschlagen. So wurde lange erfolgreich verhindert, dass sich der Geruch im Zimmer ausbreitete.
Als ich diese Fotos nun erneut inspizierte und die obere Schale abhob, war der stechende Chemiegeruch kaum noch zu ertragen. Die Rückseiten der Fotos waren grau. Die Vorderseiten sahen teilweise noch frisch aus, aber ein genauer Blick zeigte, dass die hellsten Stellen auch angegraut waren und einige Bilder hatten zudem einen starken Gelbstich. Dass sich diese Fotos im Zustand einer körperlichen Zersetzung befanden, war nicht mehr zu ignorieren. Solch Bildmaterial muss aus Räumen entfernt werden, in denen gesundes lagert, denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Zersetzungsprozess auf anderes Material übergeht. Ferner dürfte das schadhafte Bildmaterial auch der menschlichen Gesundheit nicht zugetan sein. Da blieb nur eine Entscheidung: Weg damit!
Vorher checkte ich, ob wenigstens die dazugehörigen Negative meiner eigenen Fotos noch auffindbar waren. Das traf zu und ich nahm mir vor, einige davon demnächst in guter Qualität auf DIN A3+ auszudrucken.
Beim Betrachten der alten 50 × 60 Abzüge von Kleinbildnegativen verblüffte mich die gute Bildqualität. Ich hatte fast schon vergessen, was früher mit Filmen erreichbar war.
Für Aufnahmesituationen mit wenig Licht standen uns damals Filme mit ISO 400 (27 Din) zur Verfügung, die mit spezieller Entwicklungstechnik auf ISO 800 gepusht wurden. Mehr steckte nicht drin. In heutiger Zeit erscheint dies wenig, weil eine moderne durchschnittliche DSLR auch mit ISO 3200 noch gute Bilder ermöglicht und hochwertige Kameras mit noch weniger Licht auskommen. Auch hatten wir damals keine Anti-Verwacklungs-Technik (Shake-Reduction / Optical Image Stabilization). Die Fotografen brauchten eine ruhige Hand und lichtstarke Objektive. Dennoch waren die Fotos vom Nachtleben Berlins in spärlich beleuchteten Bars gut gelungen.
Kein Wunder, dass inzwischen wieder vermehrt zum Film gegriffen wird. Die analoge Fotografie ist seit einigen Jahren wieder im Trend und nicht nur einige alte Hasen betreten wieder alte Pfade, sondern auch viele junge Leute entwickeln ein starkes Interesse daran.
Beim Zerreißen der alten Fotos stellte ich mir die Frage, wie viele großformatige Bilder von meinen zahlreichen digitalen Fotos entstanden sind. Es gibt diverse Ausdrucke auf DIN A4 und einige wenige auf DIN A3. Doch zum Poster haben es nur die Bilder vom Film gebracht.
Einige weiterführende Texte zur Archivierung, u.a. zum Umgang mit schadhaftem Fotomaterial, findet ihr in unserer Website photoinfos.com: http://www.photoinfos.com/index-Fotoarchiv.htm